Hans Atom: Von Tieren, Kindern und anderen Grausamkeiten

Taschenbuch
128 Seiten
2015
ISBN 978-3-944503-09-7

16,00 

Kategorien: , Schlagwörter: ,

Hans Atom

Von Tieren, Kindern und anderen Grausamkeiten

Gedichte

»Dass er bei aller Neigung zu Parodie und Dementi nie hämisch wird, verbindet Atom mit den Autoren der Neuen Frankfurter Schule – vor allem Robert Gernhardt und F. W. Bernstein.«
(aus dem Nachwort von Magnus Klaue)

Über den Autor

Hans Atom lebt als Musiker und freier Autor in München.

Rezension in Titanic  (Rubrik: Humorkritik), Januar 2016:

Genie des Holperns

These: Ohne exakte Rhythmik und ohne paßgenaue Reimverleimung keine komische Lyrik. Soll Sinn in Unsinn stürzen, muß der Weg dahin ein glatter sein, denn wenn man bei der Lektüre ständig auf Schlaglöcher achten muß, ist der Spaß an der Pointe vor der Zeit verdorben. Hans Atom und seinem Gedichtband »Von Tieren, Kindern und anderen Grausamkeiten« (XS-Verlag) kann man eine Menge Holprigkeiten ankreiden. Und zwar leider auch ausgesprochen offensichtliche: »Habicht, Bussard, Specht / kommen uns gerade recht« – wem hier nicht auffällt, daß in der ersten Zeile noch ein vierter zweisilbiger Vogel landen muß, sei es ein Geier, ein Reiher, ein Emu oder ein Kleiber, der hat noch nie ein klassisches Gedicht gelesen. Der Fehler ist deswegen so grob und auffällig, weil auch der Habicht, der Bussard und der Specht reines Zeilenfüllmaterial sind und es keinen inhaltlichen Grund gibt, auf einen vierten Vogel zu verzichten – außer eben, mutwillig den Rhythmus kaputtzumachen, der auch im intakten Zustand ohnehin bloß ein geknittelter wäre.

So rumpumpelt es auf beinahe jeder Seite. Und doch ist es verwunderlich: Hans Atom, der auf einem lyrischen Ohr völlig taub ist, hört auf dem anderen ausgesprochen gut. Manche der Schludrigkeiten sind nämlich ziemlich kunstvoll: »Der Witz von den Hirschen im Schneesturm« heißt ein Gedicht, und so hebt es an: »Ein Rudel Hirsche, das abends spät / in einen Schneesturm reingerät / sucht Schutz im Schutz der Dunkelheit / dieweil der Wind mit Eis rumspeit«. Hier stutze ich erst und staune dann: Über das edle Pathos der ersten Zeile, die erste kleine Brechung durch das Schlampwort »reingerät«, die phrasenparodistische Doppelung vom Schutz des Schutzes der Dunkelheit, das überraschende »Rumspeien« des Windes, in dem das Feuerspeien anklingt, obwohl es sich beim Gespieenen doch um dessen glattes Gegenteil, das Eis, handelt. Ja, hier tut sich seltsam Komik auf, irgendwo im Zusammenspiel von hohem Ton und hohlem Ton. Und Hans Atom beherrscht auch noch ein paar andere Dinge, die man ihm beim ersten Lesen nicht zugetraut hätte: die unterlaufene Erwartung bei zugleich korrektem Reim (»Das Karussell, das Karussell / das dreht sich«, ja denkste, »ganz schön langsam, gell?«), gewagte Verse (»Burger und Spareribs« auf »Würstl mit Pommes Frites«, »Tiere« auf pferdisches »Gewiehre«), Metaphern (»Scherbengrün ist Vorstadtstille / Trinker finden keinen Trost / längst in Scherben liegt der Wille / Stumpfsinn klingelt leise Prost«) und Wortschöpfungen (»ehrfurchtsfeucht«). Daß Magnus Klaue in seinem Nachwort mit Robert Gernhardt angaloppiert kommt, von »naiver Integrität« spricht, die, schau an, »Komik in gewisser Weise erst ausmacht«, und die Hans Atom mit der unfreiwilligen Komikerin Friederike Kempner (1828–1904) verbinde – dem mag ich nicht folgen, so weit mag ich in keine Richtung gehen: Hans Atom ist weder eine neue Kempner, dafür ist er zu bewußt, noch ein neuer Gernhardt, dafür hapert es zu deutlich am Handwerk. Er ist vielleicht – was weiß denn ich – eine Kreuzung aus Eugen Roth und H.P. Lovecraft, ein merkwürdig Menschelnder inmitten kosmischer Kälte. Jedenfalls aber ist er eines: ein Dichter, den ich nur Lesern mit starken Nerven empfehlen kann.