Taschenbuch
108 Seiten
ISBN 978-3-944503-27-1
Lars Henrik Gass
Objektverlust
Film in der narzisstischen Gesellschaft
Mit der Dominanz der Sozialen Medien und Streamingdienste verändert sich auch der zeitgenössische Kinofilm allmählich zum Produkt einer neuartigen sozialen Kybernetik, die einem radikal veränderten Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft entspricht.
In Filmen etwa von Wes Anderson, Greta Gerwig, Mia Hansen-Løve, Giorgos Lanthimos, Ruben Östlund, Quentin Tarantino, Joachim Trier oder Athina Rachel Tsangari setzt sich gegenwärtig eine neue Wahrnehmungsökonomie durch, die sich am Internet als prägender sozialisierender Erfahrung ausgebildet hat. Ihr Blick richtet sich nicht mehr mit Neugier oder Erkenntnisinteresse auf eine äußere Wirklichkeit, sondern auf einen Fundus überlieferter Bilder, die ihrer historischen und gesellschaftlichen Bedeutung entleert wurden.
Kino, das der Gesellschaft eine Zeitlang die Möglichkeit geboten hatte, durch den Schock technisch vermittelter Erfahrung sich und das Andere zu betrachten, verwandelt sich in diesen Filmen zum bloßen Spiegel des Selbst, zur Erlebnismaterie einer narzisstischen Gesellschaft. Film wurde die Propaganda einer Welt ohne Außen.
Lars Henrik Gass’ Streitschrift zum zeitgenössischen Spielfilm ist zugleich eine Bestandsaufnahme der Gegenwart mit den Mitteln der Ideologiekritik. Das Kino kommt mit dem bürgerlichen Subjekt zu Ende, das es hervorgebracht hatte und dessen Ausdruck es war.
»Gass agiert mit diesem Buch erneut als unabhängiger Intellektueller.«
– Ralph Eue, Filmdienst
»Der Objektverlust, von dem im Buchtitel die Rede ist, beschreibt den Verlust einer äußeren Wirklichkeit, für die sich das Gegenwartskino, das nur noch auf sich selbst gerichtet ist, nicht mehr interessiert. Der Essay ist eine so gehalt- wie anspruchsvolle Lektüre, die lohnenswert ist. Mit ihr kann sich auch eine Filmkritik selbst befragen, die sich zunehmend auf Geschmacksurteile zurückzieht und den Bezug zum gesellschaftlichen Ganzen verliert.«
– Tobias Obermeier, taz
Über den Autor
Lars Henrik Gass war von 1997 bis 2024 Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Seit 2025 ist er Gründungsdirektor des Hauses für Film und Medien in Stuttgart. Er publizierte zahlreiche Essays, Kritiken und Vorträge zu Film, Fotografie und kulturpolitischen Themen. Buchpublikationen u.a. Das ortlose Kino. Über Marguerite Duras (2001), Film und Kunst nach dem Kino (2012/2017), Filmgeschichte als Kinogeschichte. Eine kleine Theorie des Kinos (2019). Zuletzt erschien der Band Hellmuth Costard: Das Wirkliche war zum Modell geworden (2021).